Was ist „Goldstoff Filme“?
„Goldstoff Filme“ ist eine Filmproduktionsfirma mit einem Fokus auf historische Spielfilme und Serien. Zusammen mit meinem Geschäftspartner Mark Lorei, der Historiker und Regisseur ist, haben wir die Firma im März 2022 gegründet. Ich bin eine der Geschäftsführer*innen und Gründer*innen und leite den Berliner Standort.
Wie funktioniert eine Produktionsfirma?
Bis ein fertiger Film gezeigt werden kann, ist es ein sehr langer und komplizierter Weg. Und meist beginnt es damit, dass wir eine Idee haben, worüber man einen Film oder eine Serie machen könnte. Das kann eine wahre historische Begebenheit sein über eine historische Figur oder eine ausgedachte Geschichte. Und mit dieser Idee sprechen wir Drehbuchautor*innen an, um sie mit an Bord zu holen und dann ein Drehbuch zu entwickeln.
Mit dem Expose des Drehbuchs führe ich Gespräche mit Fernsehsendern oder Streamingdiensten um sie von unserem Stoff zu begeistern. Wenn jemand das toll findet, kann man eine Co-Produktion machen, z.B. mit RBB, Arte, ZDF u.ä. Man beantragt Filmförderung und dann wird gedreht.
Der Dreh ist der aufregendste und teuerste Teil im Film, aber zeitlich gesehen der kleinste. Ein Spielfilm dreht man über sechs Wochen. Dann geht es in den Schnitt. Von der Idee bis zur Veröffentlichung dauert es etwa 3 Jahre. Der Dreh wird sehr gut bezahlt, aber mit dem Geld muss man dann sehr lange klarkommen. Im Idealfall bis zum nächsten Projekt.
Du bist nicht nur die Geschäftsführerin der Firma, aber vor allem auch Filmproduzentin. Was macht eine Filmproduzentin genau?
Alles. Produzent*innen sind vom ersten bis zum letzten Moment eines Films dabei. Unsere Hauptaufgabe ist die Finanzierung zu sichern. Dann muss ich das passende Team zusammenstellen wie Drehbuchautor*innen finden, Kameraperson, Kostümbildperson, passende Darsteller*innen usw. Darüber hinaus arbeite ich eng mit der Regie zusammen. Ich führe auch die Verhandlungen mit Fernsehsendern oder Streaminganbietern. Ich bin zusammen mit der Regie auch die Person, die dann das Projekt in der Öffentlichkeit vertritt und mit der das Projekt in der Branche identifiziert wird.
Welche Filme bzw. Serien, die ihr produziert habt, kann man bereits sehen?
LR: Unser Debüt war die Serie „Haus Kummerveldt“. Das ist eine sechsteilige Serie, die im 19. Jh. spielt. Es handelt sich von der jungen Adeligen Luise von Kummerveldt, die Schriftstellerin werden möchte, aber als Frau im 19. Jh. darf sie es nicht so einfach. Die Serie gibt es in der ARTE Mediathek zu sehen und wurde letztes Jahr mit dem „Grimme-Preis“ ausgezeichnet, was ein sehr großartiger Start in die Branche war.
Davor haben wir noch einen Kurzfilm gedreht, der „Die Spökenkiekerin und das Fräulein“ heißt. Der ist in der ARD Mediathek zu sehen. Es handelt sich um eine queere Liebesgeschichte im 19. Jh. zwischen einer Wahrsagerin und einem adligen Fräulein und wie die beiden Frauen den mächtigen Männern auf die Nerven gehen und sie an der Nase herumführen.
Euere Stoffe haben einen deutlichen Genderbezug. Warum?
Alle Projekte, die wir bereits entwickelt haben, haben starke weibliche Figuren. Es gibt viele historische Stoffe über Männer und ganz wenige über Frauen. „Haus Kummerveldt“ ist z.B. inspiriert von mehreren Frauen-Biographien jener Zeit, als Frauen unter männlichen Pseudonymen ihre Literatur veröffentlichen mussten und von denen man gar nichts weiß. Diese Geschichten liegen uns sehr am Herzen und wir wollen sie endlich erzählen und diesen Frauen eine Stimme geben. Leider gibt es immer noch viele Parallelen zur jetzigen Zeit. Deswegen ist es wichtig, diese Geschichten aufzuzeigen und sie ins Bewusstsein zu bringen.
Und wie ist es für dich, als junge Frau in der Filmbranchezu sein?
Die Filmhochschulen sind recht paritätisch, was Studierende angeht. Aber je tiefer man in die Branche eintaucht, desto männerdominierter wird sie. Was auch daran liegt, dass die Branche sehr freizeit- und familienunfreundlich ist. Man arbeitet sehr viel für wenig Geld. Vor allem, wenn man sich in der Produktion selbständig macht.
Man merkt, dass Leute es gewöhnt sind, dass Produzent*innen meist alte weiße Männer sind. Und wenn eine unter 30-jährige Frau wie ich sich hinstellt und sagt: „So Leute, Folgendes“, gibt es schon manchmal irritierte Blicke. Ich hatte tatsächlich einmal eine unangenehme Situation: Da war ich bei einer anderen Produktionsfirma für ein Projekt angestellt und mein direkter Vorgesetzter hat ganz klar gemacht, dass er mir das nicht zutraut, weil ich halt eine junge Frau bin und dass er lieber einen anderen für den Job gehabt hätte. Als junge Frau nimmt man dich als unerfahren wahr, während junge Männer als dynamisch und modern angesehen werden.
Auch was die Gründung angeht, gibt es immer noch deutlich mehr Männer, die eine Produktionsfirma gründen. Die meisten Frauen gehen in bereits bestehende Produktionsfirmen, weil sie viel Wert auf Sicherheit legen. Im ersten Gründungsjahr haben wir ein Gründungsstipendium bekommen. Dieses Stipendium hat extra ein Programm ins Leben gerufen, um Frauen zu unterstützen, damit sie zumindest anfangen, darüber nachzudenken, eine Produktionsfirma zu gründen. Die Realität ist, dass 80 Prozent der Bewerbungen für das Stipendium immer noch von Männern kommen.
Hattest du viele Zweifel, bevor du eine Produktionsfirma gegründet hast?
Ich bin auf Umwegen zur Gründung gekommen. Im Bachelorstudium habe ich meinen jetzigen Geschäftspartner Mark Lorei kennengelernt und die ersten drei Folgen unserer Serie gedreht. Das war ein komplettes rock&roll-Projekt: low budget und studentisch. Das ganze Team war danach überarbeitet, aber es hat trotzdem viel Spaß gemacht. Mark und ich wussten ganz schnell, dass wir als Duo weiterarbeiten wollen.
Wir hatten nur eine halbe Staffel gedreht, aber wollten die Ganze machen und sind mit unserem Projekt zu Produktionsfirmen gegangen und haben es ihnen vorgestellt. Alle fanden das ganz toll, aber wollten an unserer Idee vieles ändern. Wir waren hingegen von unserem Produkt ziemlich überzeugt, so wie es war. Wir brauchten nur Geld, damit wir weitermachen konnten.
Wenn wir unsere künstlerische Vision weiterverfolgen wollten, mussten wir es selber machen. Das war der Punkt, an dem wir gesagt haben, lass uns eine Produktionsfirma gründen. Und so haben wir dann die Serie bis zum Ende gedreht. Erst ein Jahr nach der Gründung haben wir uns die typischen Gründungsgedanken gemacht: Was ist unser Profil? Wo wollen wir hin? Was ist unsere Philosophie? Vorher hieß es nur: Drehen!
Warum habt ihr euch für historische Filme entschieden?
Historische Filme sind das teuerste und das schwierigste, was man bei Filmen machen kann. Aber dadurch das mein Geschäftspartner Geschichte studiert hat und ich Filmproduktion, haben wir in dem Genre quasi Heimspiel. Und ehrlich gesagt, war es einfach immer mein großer Traum! Und das ist etwas, was kaum jemand macht, ich meine – nur historische Filme. Wir füllen nun diese Nische aus und bis jetzt klappt das ganz gut.
Gab es Momente, wenn du dachtest, du schaffst das nicht?
Diese Momente gibt es immer wieder, aber sie kommen und gehen. Ich habe gelernt, dass die meisten scheinbaren Katastrophen nach 48 Stunden gelöst sind - so lange heißt es durchalten, kühlen Kopf bewahren und Lösungen suchen.
Man darf nicht mit Erwartungen starten, dass alles super wird. Es wird immer Herausforderungen geben oder auch Dinge, für die man nichts kann. Z.B. bei einem Dreh ist unsere Hauptdarstellerin krank geworden und wir konnten nicht weiterdrehen, was sehr problematisch ist, weil jeder Drehtag halt viel Geld kostet.
Aber als Belohnung gibt es dafür auch schöne Momente. Für mich persönlich ist das der erste Drehtag, wenn alle am Set sind und man merkt, dass es funktioniert. Oder wenn man mit einem Grimme-Preis auf einer Bühne steht und das live im Fernsehen übertragen wird.
Dann lass uns endlich über die Highlights deiner Karriere sprechen!
Das erste Highlight meiner Karriere war der „First Steps Award“. Das war noch vor der Gründung, aber schon mit der Serie „Haus Kummerveldt“. Das ist ein Nachwuchspreis der deutschen Filmakademie, der sog. deutsche Student*innen-Oscar. Allein dort nominiert zu sein, war total surreal. Dadurch gelangt man ganz schnell auf ein ganz anderes Level. Zum ersten Mal wurden wir richtig von der Branche wahrgenommen. Vorher war ich nur eine von vielen Student*innen und dann plötzlich bin ich zum Nachwuchs-Star geworden, mit dem Produktionsfirmen und andere wichtige Leute aus der Branche sprechen wollen.
Vier Jahre später haben wir die Nominierung zum Grimme-Preis bekommen. Ich bin fast vom Stuhl gefallen, als ich das erfahren habe. Dann fing eine ganz verrückte Zeit an. Es ist sehr faszinierend, wie viele Leute das mitkriegen. Ich habe aus allen Ecken meines Lebens Glückwünsche bekommen. Das war ein Gefühl, das ich bis heute nicht richtig in Worte packen kann. Das ist eine große Ehre, dieses Label „Grimme-Preisträgerin“ zu haben, den ich ab jetzt den Rest meines bisher 28jährigen Lebens tragen werde.
Wir freuen uns sehr, dich bei uns zu haben! Aber wie bist du auf die WeiberWirtschaft gekommen?
Die WeiberWirtschaft kenne ich auf privatem Wege schon eine ganze Weile. Eine der Gründerinnen der Genossenschaft Claudia Neusüß ist die beste Schulfreundin meiner Mutter. Vor einigen Jahren habe ich mit einer Freundin Berlin besucht. Claudia hat uns sofort zur WeiberWirtschaft eingeladen. Gerade zu dieser Zeit war auch eine Delegation von chinesischen Unternehmerinnen zu Besuch. Meine Freundin und ich haben uns der Gruppe angeschlossen und sind mitgelaufen. Das, was ich gesehen habe, war total spannend, und schon damals habe ich verstanden, das wäre was für mich, aber ich habe noch nicht in Berlin gewohnt.
Als ich nach Berlin gezogen bin, habe ich an die WeiberWirtschaft gedacht und mich für ein Büro beworben. Eines Tages kam der Anruf von Katja und dann ging alles sehr schnell. Als ich mein Büro gesehen habe, war ich total begeistert. Ich habe mich sehr gefreut, dass ich in die Genossenschaft aufgenommen wurde und als Mieterin hier sein darf und zudem noch einen Gründungszuschuss bekommen habe! Ein repräsentatives Büro ist sehr wichtig und nun habe ich einen Ort, wo ich Leute einladen und Besuche bekommen kann. Jetzt hat unsere Firma zwei Standorte: Im Münsterland, wo mein Geschäftspartner lebt, und hier in Berlin.